Trotz elektrischem Licht erfahren die alten Wärmespender eine ungebrochene Begeisterung
Was wäre ein romantisches Candle-Light-Dinner ohne Kerzen? Was wäre ein Gottesdienst ohne religiöse Kerzen? Was wäre der ruhige Leseabend bei stürmischen Wetterverhältnissen ohne Kerzen?
Es ist schon erstaunlich, dass diese alte, vielleicht über 5000 Jahre auf dem Buckel habende, Erfindung sich nach wie vor in unserem Alltag hält. Jeder Mensch in Deutschland verfügt über elektrisches Licht. Wir benutzen es eigentlich täglich, meistens ohne uns groß Gedanken zu machen, was eigentlich genau passiert, wenn wir den Lichtschalter drücken. Und dennoch, obwohl wir folglich nicht mehr auf die aus Wachs und Docht (und oftmals auch aus Öl) bestehende altertümliche Lichtquelle angewiesen sind, nutzen wir weiterhin Kerzen.
Neben dem hypnotischen Effekt einer offenen Flamme, vermute ich als Grund für das Überleben der Kerze vor allem emotionale Gründe. Eine Kerze spendet, im Gegensatz zur viel helleren und stabiler scheinenden Energiesparlampe, eine gewisse Wärme und Behaglichkeit. Oftmals muss die Kerze gar nicht das ganze Zimmer in gleißendes Licht tauchen. Dennoch ist jedem der Effekt bekannt, den eine einzelne angezündete Kerze in einem völlig dunklen Raum hat. Sie gibt Atmosphäre, wirkt entspannend, behaglich und irgendwie realer als elektrisches Licht. Das Phänomen der Kerzen ist schon erstaunlich, denn effizient sind sie keinesfalls. Vielmehr kommt ihnen ein kultureller Wert zu, der sich nicht einfach in einer betriebswirtschaftlichen Rechnung erfassen lässt. Dies führt uns nun zu den Situationen, in denen wir Kerzen benutzen.
In vielen Subkulturen in unserer Gesellschaft finden Kerzen einen zentralen Platz in der Erzeugung eines szenetypischen Flairs. Welche Gothik-Home-Party käme ohne Kerzen aus? Dabei gibt es sie in allerlei Gestalt, Form und Düften. Schonmal eine schwarze Kerze, oder eine Totenkopfkerze live brennen gesehen? Das ist schon was besonderes. Oder ganz im Gegenteil dazu: Die Kerzen mit religiöser Bedeutung etwa in der Kirche bei der Taufe oder Kommunion.
Oder aber wir bleiben beim Beispiel eines verliebten Paares. Warum nutzen wir eigentlich Kerzen, um eine entspannte Atmosphäre zu erzeugen? Ich weiß es nicht, aber offenbar tun das Menschen über die Generationen hinweg. Oftmals auch als Teil einer Überraschung, um dem Gegenüber seine Wertschätzung zu zeigen. Und das funktioniert!? Jede*r hat es wahrscheinlich schon einmal selbst ausprobiert und sich weniger Gedanken darüber gemacht, wie erstaunlich es eigentlich ist. Da zündet man ein paar analoge Lichter an und schon versetzt man sich in eine andere, stressfrei konnotierte Situation. Ein Feature, welches elektrischen Lampen offensichtlich fehlt.
An dieser Stelle kann man auch noch auf das alljährlich in Dortmund stattfindende Lichterfest verweisen. Im Westfalenpark gibt es dort auf einer riesigen Fläche in der Dämmerung hunderte von Lichter – auch Kerzen. Das ganze wird komplementiert mit Musik und Essen – der Inbegriff eines Fests.
Vielleicht muss man sich auch nicht über alles den Kopf zerbrechen. Aber wenn man es nun einmal in Bezug auf Kerzen tut, fällt einem auf, wie lieb uns diese Gegenstände sind. Und wenn Sie diesen Text bis zum Ende gelesen haben, geht es Ihnen wie mir – wir sind Kerzenliebhaber.